Klaus Gille, unser Wirt und Inhaber des „Elefantenstübles“

Aurich. Klaus Gille, 59 Jahre alt, bestellt sich in seinem Lokal erst einmal einen Kamillentee. Zum Runterkommen. Aber im Kopf schwirren immer noch die Gedanken: Wie kann die Lösung beim Programmieren aussehen? Es ist ein ungewöhnlicher Spagat, den dieser Mann Tag für Tag macht. Tagsüber ist er Geschäftsführer einer Softwarefirma mit zehn Angestellten im badischen Karlsruhe, am Abend und an den Wochenenden ist er Gastronom, serviert im „Elefantenstüble" im schwäbischen Aurich. Zwei Arbeitswelten, zweimal eine Herausforderung. „Aber es macht Spaß", sagt der Auricher. Er ist mit Leidenschaft beim Programmieren, hat aber genauso seinen Spaß im Umgang mit den Gästen in der Wirtschaft in der Turn- und Festhalle.

Und es ist klar, dass wir uns in dem Lokal treffen, das Gille 2009 von der Stadt Vaihingen gepachtet hat. Deutsch-thailändische Gerichte stehen auf der Speisekarte. Der „Chef" ordert Sateespieße, also Schweinefleischspießchen, und Garnelen in Panäng Curry. Ich nehme Frühlingsrollen und anschließend die Ente in Panäng. Beide Gerichte sind leicht scharf, aber weit von Thai-scharf entfernt. Denn dabei kommen fünf bis sieben Chillischoten zum Einsatz, bei Panäng eine halbe bis eine Schote. „Ich könnte das Scharfe essen, möchte es aber gar nicht. Da schmecke ich sonst nichts anderes", sagt Klaus Gille.

Der 59-Jährige ist in Aurich aufgewachsen, hat nach dem Abitur Mathematik und Informatik studiert. Gille arbeitete zunächst in Zürich, übernahm dann für ein Jahr ein Projekt in Saudi-Arabien. Dort war er für ein Zutrittskontrollsystem für die Nationalbank und das Außenministerium zuständig. „Ein paar Brocken Arabisch kann ich noch. Das Meiste ist aber vergessen", lacht Gille. 1991 stieg er dann mit anderen Kollegen als Gesellschafter bei Zoz & Partner in Karlsruhe ein. Seitdem ist der Auricher Geschäftsführer. Das Unternehmen ist spezialisiert auf MES, Manufactoring Excecution Systems, und Product life cycle. Auf der Homepage liest es sich so: „Das inhabergeführte Softwareunternehmen fokussiert alle Themen rund um projekt- oder produktbezogene, betriebliche, technische oder kommerzielle Prozesse sowie Prozessumgebungen." Im Auftrag von Continental entwickeln Gille und sein Team beispielsweise Software, die die Produktionslinien bei der Herstellung von Anti-Blockier-Systemen steuert und überwacht, die Qualitätsdaten erfasst und prüft, ob alle Herstellprozesse ausgeführt sind. Auch werden für die Produktentwicklung die entsprechenden Softwarewerkzeuge zur Verfügung gestellt.

Dieser Job würde normalerweise als Beschäftigung ausreichen. Aber der Weg in den gastronomischen Sektor wurde schon viel früher gelegt. Nach seinem Aufenthalt in Saudi-Arabien lernte Klaus Gille bei einem Urlaub in Thailand Thongjan kennen, übersetzt der goldene Montag. 1987 wurde geheiratet und Taew (gesprochen Tao), so die Kurzform des Namens, lebte fortan in Deutschland. Taew und Klaus Gille boten über viele Jahre einen Catering-Service an, kochten bei den Kunden thailändische Gerichte. 2009 wurde dann die „Schnapsidee von einem Fest" umgesetzt: Klaus Gille erwarb als Pächter das Lokal in der Auricher Halle. Freunde und Bekannte brachten in 1600 unentgeltlichen Arbeitsstunden die Gaststätte auf Vordermann - und dann konnte das „Elefantenstüble" starten. „Es ist gut für Aurich, dass es wieder eine Gaststätte gibt und es ist gut für den TSV, dass er ein Vereinslokal hat", sagte damals Klaus Gille. Der Plan war, dass das Lokal eher nebenher läuft, auf kleiner Flamme. Doch damit wurde es nichts. „Wir sind leicht überrollt worden", gibt Gille im Rückblick zu. In den ersten Wochen herrschte „ungeordnetes oder geordnetes Chaos".

Doch dann wurden die Abläufe organisiert, der Mitarbeiterstamm aufgebaut. Heute hat das „Elefantenstüble" mit knapp 70 Sitzplätzen und 50 Plätzen in der Gartenwirtschaft einen Ruf weit über die Stadtgrenzen von Vaihingen hinaus. An den Wochenenden empfiehlt es sich zu reservieren. Die Gäste kommen aus Hemmingen, Sachsenheim, Mühlacker, Illingen und Wiernsheim. „Mit unserer thailändischen Küche haben wir hier schon ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Klaus Gille.

Gille vespert vom Vorspeisenteller auch die Deko. Selbst die Orchideenblüte kann gegessen werden. Er lobt seine Frau, die in der Küche Regie führt. Sie habe schon ein Händchen. Da braucht es auch keinen Geschmacksverstärker wie Glutamat, der sonst in der asiatischen Küche eher üblich ist. Mit einer Prise Salz oder Zucker lässt sich manches Gericht verfeinern. „Das wussten schon unsere Großeltern", sagt Gille.

Gille sagt aber auch, dass nicht alle thailändischen Essen mit dem deutschen Gaumen kompatibel sind. Das Abnagen von Hühnerkrallen oder bitteres Gemüse ist nicht jedermanns Sache. Und solche Sachen werden im „Elefantenstüble" auch nicht serviert. Und natürlich ist die Schärfe der Speisen an deutsche Verhältnisse angepasst.

Aber ansonsten wird schon auf die Originalität gesetzt. Einmal pro Woche kommt eine Lieferung aus Thailand in Aurich an- Der zweite Faktor ist die Frische. Wer Ente ordert, muss mindestens acht Minuten warten. Und mehr als dreimal Entenfleisch auf einmal kommt nicht in den Ofen - „sonst schmeckt es nicht so gut", sagt Gille. Auch die Pommes zu den deutschen Gerichten brauchen ihre sechs bis sieben Minuten, da nur frische Kartioffelstäbchen verwendet werden und keine gefrorenen.

Und was ist das Lieblingsgericht von Klaus Gille? Da will sich der Mann mit den zwei Jobs nicht festlegen: Linsen und Spätzle schmecken ihm genauso gut wie Gerichte von der thailändischen Küche. Rostbraten, Tagliatelle oder indische oder koreanische Speisen - Gille ist da weltmännisch. Und wenn es mal einen freien Tag gibt, gehen Taew und Klaus Gille auch in eine Besenwirtschaft.

 

Quelle: Uwe Bögel vom 22.04.2017